Endlich ist der lang ersehnte magische Tag da, kleine Finger puhlen vorsichtig an der Perforation herum, die Pappe reißt ein klitzekleines bisschen ein, vor lauter Aufregung merkt diese kleine hibbelige rotbackige Person gar nicht, dass extra eine kleine Lasche vorhanden ist, die das Öffnen erleichtern soll. Egal, funktioniert trotzdem, das erste Kläppchen ist geöffnet und legt dieses winzige Stückchen Schokolade frei, dessen Motiv man erst sehen kann, wenn man es aus der Plastikgussform befreit hat. Heute geht es ganz einfach, da purzelt es schon freiwillig aus seiner Form, an anderen Tagen werden die Finger ziemlich schokoschmierig, bis man sich endlich wieder daran erinnert, dass sich von der Rückseite aus die Schokolade ganz tablettenmäßig super herausdrücken lässt.

In einem immer größer werdenden Angebot kaufbarer Adventskalender und endlosen Pinterestinspirationen für die weltbesten persönlichen liebevoll selbstgebastelten und -befüllten Kalender bin ich dieses Jahr mal ganz zurückgerudert und habe mich für die Basisvariante für unsere Kinder entschieden- sonst nichts.

Plastikgussform mit weihnachtlich bedruckter Papphülle, keine Extras, noch nichtmal ein kleiner Schieber, mit dem sich ein extra angebrachtes pausbackiges Weihnachtsengelchen lustig hin und her schieben lässt und auch nicht die Minions oder Hello Kitty. Keine Markenschokolade, auf keinen Fall Markenschokolade! Nicht für den Adventskalender! Die Schokolade im traditionellen Adventskalender muss diesen speziellen Geschmack haben. Adventskalenderschokolade schmeckt nach „fast Weihnachten“. Okay…. sie schmeckt auch nur fast Weihnachten.

„Mmmmh….. köstlich, gibt es Adventskalenderschokolade wohl auch als 200-Gramm-Tafel?“ Niemand- jemals! Genau genommen werden 75 Gramm Schokolade auf 24 Kläppchen verteilt, das scheint eine gut verträgliche Dosis zu sein.

Schon das dumpfe leicht knatterige Geräusch, wenn das Kläppchen geöffnet wird, das Knacken der Plastigussform, wenn die Schokolade herausgedrückt wird und dann das klitzekleine Schokotäfelchen wie es quietschsüß im Mund verschwindet…. Für ein paar Gedankenblitze ist man vielleicht kurz wieder Kind und erinnert sich an diese freudige Spannung, wenn es in viel zu langsamen Schritten endlich auf Weihnachten zuging.

Leider schlummerte in mir früher eine gewisse kriminelle Energie, weswegen heute irgendwann dieses wohlige Weihnachtsgefühl zwischendurch einer fiesen Erinnerung von schlechtem Gewissen weicht. Zu meinem großen Glück war es nämlich so, dass mein Adventskalender früher im Kinderzimmer über meinem Bett hängen durfte. Es ergab sich also Abend für Abend die Situation, dass der Kalender und ich unbeobachtet und allein im Zimmer waren. Jeden Abend musste ich natürlich schon nach dem nächsten Kläppchen suchen und irgendwann, als ich durch meine tägliche Dosis Adventskalenderschokolade schon total angefixt war, puhlte ich plötzlich und wie ferngesteuert das Kläppchen des folgenden Tages auf. Die Selbstbeherrschung einer Fünfjährigen reichte bei weitem nicht dazu aus, an dieser Stelle die Pappe wieder zu zu drücken, stattdessen fingerte ich wahrscheinlich blind vor Gier die Schokolade heraus und ließ sie in meinem gezahnputzten Mund verschwinden. Um dieses Verbrechen zu vertuschen, drückte ich danach die Pappe wieder zu und fühlte mich in dem Moment schon hundeelend.

Ich finde es heute noch großartig wie mein Papa am folgenden Tag großes Erstaunen und Empörung darüber vortäuschen konnte, dass die Adventskalenderfabrik scheinbar vergessen haben musste, ein Kläppchen zu füllen und sogar noch sowas tröstendes sagte wie „Morgen ist bestimmt wieder was drin!“ Und das ganz ohne Erziehungsratgeber!

Die Adventskalender unserer Kinder stehen übrigens im Esszimmer, und obwohl es „nur“ 75 Gramm Schokolade verteilt auf 24 Kläppchen sind, wird Morgen für Morgen mit großer Begeisterung jedes Kläppchen geöffnet und das Schokoladentäfelchen präsentiert. Vielleicht frage ich mal, ob ich eins probieren darf… Geister der Vergangenheit und so…