“Ich esse jetzt übrigens keinen Industriezucker mehr!”

“Aha”… ich frage mich, ob jetzt die Stelle kommt, an der ich fragen soll: “Warum?”

Stattdessen sage ich “Weizen geht aber wieder?” und ernte einen mitleidigen Blick.
Heißt der jetzt “Natürlich esse ich Weizenprodukte, was denkst Du denn?” oder eher….

“”Isst du immer noch Weizenprodukte? Weißt du denn nicht, wie dumm die machen?”

Ok, oder eher das…

Doch, seit der letzten Ankündigung “Ich esse jetzt übrigens keine Weizenprodukte mehr!” weiß ich, wie dumm Weizen macht,

schließlich wurde ich ausgiebig über die gerade gewonnenen Erkenntnisse aufgeklärt. Mehrmals…. stundenlang…. In der Folge kaufte ich bestimmt fast drei Tage lang relativ bewusst keine Weizenprodukte. Dann war Freitag, Pfannekuchentag, und ohne drüber nachzudenken gab ich mein schnurzpopelnormales Weizenmehl zusammen mit dem Drittel Dinkelvollkornmehl für Biss, Sättigung und Vollwertgewissen in die Schüssel. Huch! Verdammt! Und schon hörte ich meinen IQ purzeln.

Naja…. ein bisschen dumm nehme ich in Kauf, habe ich mir dann überlegt, und wenn alle pro Pfund Spaghetti gleichviel blöder werden, fällt es im Verhältnis gar nicht auf. Und was soll man mit seiner Intelligenz noch anstellen, wenn alle anderen dumm wie Weizenbrot sind? Nein…. das ist wenig erstrebenswert.

Jetzt also Industriezucker… diese weiße Droge, die uns alle in die Abhängigkeit treibt.

Leider ist das in seiner Essenz wohl wahr.
Ehrlich betrachtet bin ich wohl selber ein Zuckeropfer, was den Suchtfaktor angeht, hoffe und glaube aber, dass es genügend andere, positive Faktoren gibt, die diesen Umstand etwas relativieren können.

“Ich würde gerne leckere Ausstechplätzchen backen, aber ohne Industriezucker. Bananen und Datteln mögen wir nicht, und vegan sollten sie auch sein. Kennst du da vielleicht ein Rezept?”

Ich denke spontan an Bauschaum.

LECKER fand ich immer die Plätzchen von Oma….

mit Mehl, Butter und Zucker in einem Verhältnis zueinander, dass einem schwindelig wurde vor Butter- und Zuckergehalt, eventuell kam noch ein Eigelb mit rein. Und natürlich GUTE Butter, da konnte Sanella noch so eifrig für sein pflanzliches Backfett werben.
Tiptop Ausstechplätzchen sind das, aber sämtliche Zutaten stammen von der roten Liste. Beim gedanklichen Versuch, die Zutaten durch Ersatzprodukte zu ersetzen, kommt alles mögliche raus, allerdings ist es entweder nicht lecker oder nicht ausstechbar.
Ich schlage vor, doch einfach Reiswaffeln auszustechen, macht zwar ein bisschen Gekrümel, ist aber ansonsten fix gemacht. Könnte man ja noch schön mit Zuckerstreuseln dekorieren. Ach nee, doch nicht….
Ich ernte einen bösen Blick, und ein bisschen Mitleid schwingt auch mit.

Ich bin hin und her gerissen zwischen ehrlicher Bewunderung dafür, dass sie das mit der Ernährung so ernst nimmt und über weite Strecken durchzieht…

und einem tiefen Unverständnis über eine Buchsammlung, die jedes einzelne Lebensmittel in seinen Vor- und Nachteilen auseinandernimmt und deren Inhalte wie ein Glaubensbekenntnis den Alltag bestimmen.

Vegan…. geschenkt…. So schlau bin ich auch noch, dass ich trotz Weizenmehlkonsums weiß, dass “wir” viel zu viele Tierprodukte konsumieren und diese Massen nicht einhergehen mit der Idee von fröhlichen Kühen, Hühnern und Schweinen. Heimlich glaube ich ein bisschen daran, dass sich das doch ganz prima regulieren könnte, wenn einfach JEDER einzelne weniger davon zu sich nehmen würde. Gut, das war vielleicht die eine Scheibe Weizentoast zuviel, die mich so naiv denken lässt.
“Ich lasse mir nicht vorschreiben, wieviele Würste ich mir neben meine Nackensteaks auf den Grill haue”-Fleischesser gegen “Leute hört her, ich bin Veganer und darum ein besserer Mensch”-Veganer, schon allein diese Kombination lässt manche Essensdiskussion wie einen Religionskrieg erscheinen.

Aber die Buchsammlung:

Weizen macht dumm, Zucker macht süchtig, tierische Produkte sollten von Menschen nicht verzehrt werden, nur Rohkost enthält wirklich wertvolle Vitamine, Getränke sollten nur warm getrunken werden. Alkohol weder kalt, noch warm. Bio schlägt konventionell, Superfood ersetzt Medizin, den Rest hab ich vergessen, und man hatte sich zum Ziel gesetzt, sich immer optimal zu ernähren.
Als diese Taktik zu Haarausfall, Verstopfung und Akne führte, ergänzte man seine laut Buchsammlung ideale Ernährung um ein paar arschteure Pülverchen, die man großzügig in sein zucker-, weizen- und geschmackfreies Essen streuen kann. Das änderte zwar nichts, ist aber wohl gesünder.

Obwohl ich grundsätzlich gerne koche, bin ich immer schon froh, wenn ich weiß, was ich mittags kochen soll, und manchmal gibt es auch einfach Fischstäbchen im Brötchen (jap, Weizen) mit geschnippelter Paprika und Remoulade aus der Plastikflasche.
Immerhin scheint die Abwechslung am Mittagstisch groß genug zu sein, dass die Kinder unseres Haushaltes im Urlaub bei der abendlichen Menü-Auswahl bis auf ein einziges Mal nicht auf die Kinderkarte mit Pommes, Chicken-Nuggets und Co ausweichen wollten.

Plätzchen backen geht mit ihnen aber auch.