“Und sagst Du auch was?”

“……….Dankeschön!”

Dazu ein strahlendes Lächeln, und die gerollte Wurstscheibe in den kleinen patschigen Händen verschwindet in einem glücklichen kleinen Menschen.

Kinder im Patschefingeralter halten auch “egal was” nie nur mit den Fingerspitzen fest, sondern natürlich mit der Faust.

Wenn man jetzt nicht doch einen bösen Blick der Metzgereifachverkäuferin ernten möchte, sieht man zu, dass man noch im Wurstfesthaltezustand mit seinem Kind den Laden verlässt, denn nach Wurstscheibe kommt gerne Glasscheibe. Nur die Praktikantin am ersten Arbeitstag wäre so verwegen, einem noch wartenden Kind schon eine Wurstscheibe in die Hand zu drücken.
Das Fensterleder, mit dem sie anschließend die gesamte Theke, das Schaufenster und die Glastür von innen putzen dürfte, würde sie ab jetzt für immer an den richtigen Wurstübergabezeitpunkt erinnern.
Bitte! Gern geschehen!

Nun ist in einigen Elternkreisen das “Jetzt sag aber auch mal Danke!” umstritten, wenn nicht sogar verpönt.

“Mein Kind soll nicht etwas sagen müssen, wenn es in dem Moment nicht so empfindet!” und “Ich finde es übergriffig, wenn ich mein Kind dazu auffordere, etwas zu tun, was es von sich aus nicht will.”
Unsere Kinder wollten im Patschefingeralter von sich aus fast nie nach dem Toilettengang die Hände waschen. Zähneputzen war in der Regel auch nicht das Highlight des Tages, worauf sie hinfieberten.
Das stete “Und was machst du, nachdem du auf dem Klo warst?” hat trotz oder wegen seiner eventuellen Übergriffigkeit für ein gewisses Gefühl von Grundhygiene bei unseren Kindern gesorgt, für die wir sehr dankbar sind. Hätten sie den durchaus sinnvollen Ablauf aufs-Klo gehen-Hände-waschen gelernt, wenn wir sie damals nicht dazu aufgefordert hätten? Oder fehlt am Ende sogar die Kontrollgruppe, um das abschließend beantworten zu können?

Wie ist es mit der Dankbarkeit? Ist die grundsätzlich da oder entwickelt sich diese erst mit der Zeit?
Hat man das Bedürfnis, einfach mal “Danke!” zu sagen von sich aus, so wie man irgendwann after-Klo das Bedürfnis hat, sich die Hände zu waschen oder sich morgens und abends die Zähne zu putzen?

Hat vielleicht die Gabe, dankbar sein zu können am Ende auch etwas damit zu tun, zufrieden sein zu können?

Wenn ich als patschefingeraltes Kind gelernt habe, dass eine zusammengerollte Wurstscheibe frisch aus der Auslage ein “Danke” Wert ist oder die drei Gummibärchen, die es bei der Kinderärztin nach jedem Besuch lose aus dem Glas in die Hand gedrückt gibt, schadet mir das?

Vielleicht kann ich mir dann als Erwachsener den nächsten Achtsamkeitskurs sparen, in dem ich lernen soll, auch für “die kleinen Dinge” dankbar zu sein. Ne Scheibe Frischwurstaufschnitt… oder drei Gummibärchen.
Ganz ehrlich…. wenn ich als Kind noch nichtmal drei Gummibärchen toll fand und gelerrnt habe, dass man dafür auch durchaus ein Danke von sich geben kann, dann ist die im Kurs erlernte Dankbarkeit über das Rauschen des Windes durch die Blätter und das Gefühl des weichen Waldbodens unter meinen Füßen oder der Sonnenstrahl, der sich in dem klitzekleinen Tautropfen auf dem maigrünen Blatt spiegelt möglicherweise ziemlich geheuchelter Bullshit.

Ich persönlich glaube aber auch, dass man als Mensch, der irgendwann sowas wie Dankbarkeit gelernt hat, unbedingt Sachen kacke finden und motzen darf und soll.

Und ein “Sei froh, dass du ein Dach überm Kopf hast!”(…dass du was zu essen hast, ….dass du gesund bist, …dass nur EIN Fuß gebrochen ist etc…) seines Gegenübers ist zwar meistens inhaltlich richtig, in manchen Situationen aber trotzdem kurz mal nicht angebracht. Dankbarkeit hin oder her.
Exzessive demütige Dauerdankbarkeit wurde immerhin gerne dort propagiert, wo ausgeprägte Hierarchien und Machtgefüge erhalten werden sollten, nicht nur im Mittelalter. Es sieht so aus, als sei hier mal wieder sowas wie ein goldener Mittelweg gefragt.

“Dankbarkeit können” hilft schonmal dabei, in einem sinnvollen Rahmen zu relativieren.
Vielleicht bleibt man nicht ganz so lange in seinem Motzmodus hängen, und wer nicht ständig im Motzmodus ist, ist wahrscheinlich sogar zufriedener.
Wer zufriedener ist, ist bestimmt auch glücklicher.
Wer glücklich ist, bekommt weniger Sorgenfalten.
Wer weniger Falten hat, braucht weniger Geld für Antifaltencreme ausgeben.
Wer weniger Geld für Antifaltencreme ausgeben muss, kann mehr Gummibärchen kaufen….

Drei Gummibärchen lose aus dem Glas in die Hand…. frühkindlich erlerntes Händewaschen…. pure Dankbarkeit.