Ein beeindruckender Weg von “Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber…” hin zu “Ja, nenn mich halt Verschwörungstheoretiker, da bin ich stolz drauf!” hat in meinem Umfeld stattgefunden, und gefühlt dreht sich die Spirale immer schneller immer weiter…

Lieber …. Mensch,

denn ich möchte Dir keinen Stempel mit irgendeiner unzureichenden oder wertenden Bezeichnung aufdrücken, auch wenn Du Dich selber mittlerweile mit einem gewissen Stolz und Trotz gerne Verschwörungstheoretiker oder Querdenker nennst.

Da sitzen wir nun in zwei völlig verschiedenen Welten, und uns trennt mittlerweile so viel mehr als etwas, das „Meinung“ ist. Wenn ich in mich selbst schaue, merke ich, dass da durchaus Übereinstimmungen vorhanden sind. Natürlich finde ich nicht toll, in welcher Situation wir uns gerade befinden und natürlich vermisse ich auch eine gewisse Logik hinter politischen Entscheidungen und eine aufrichtigere Haltung vieler Politiker. Und dass mal jemand den Arsch in der Buxe hat zu sagen, „Ja, an der Stelle war es Mist. Tut uns aufrichtig leid, wir wussten es nicht besser und haben einen Fehler gemacht. Wir haben aber daraus gelernt und uns xy vorgenommen und wollen das jetzt auf diese Art erreichen.“ …oder so ähnlich.

Was ich jedoch in mir trage, ist ein gewisses Vertrauen darauf, dass „wir“ als Gesellschaft durch diese Zeit kommen werden und sogar, das „wir“ als Gesellschaft es wieder schaffen werden, aus diesem Tief heraus zu kommen.

Vertrauen…. das was ich Vertrauen nenne, ist für Dich das untrügliche Zeichen dafür, dass ich ein Schlafschaf, Systemling, eine gehirngewaschene Regierungstreue bin, die auf keinen Fall in der Lage ist, selber zu denken. An welcher Stelle ist Dir selber aber dieses Vertrauen so komplett verloren gegangen? Wie konnte es dazu kommen, dass Du nun in einen Strudel von Misstrauen geraten bist? Dass Du hinter allem, was auf der ganzen Welt geschieht wortwörtlich eine große Verschwörung vermutest, welche zum Ziel hat,… ja was genau eigentlich? Alle Menschen zu unterdrücken? Und damit einer „Elite“ zu noch mehr Macht zu verhelfen? Macht …worüber eigentlich? Und …. gibt es nicht schon längst „die Mächtigen“? „die Reichen“?

Du wünschst Dir Respekt und Anerkennnung, jeder wünscht sich Respekt und Anerkennung. Gleichzeitig ist Deine Sprache zunehmend respektloser geworden, zum Teil menschenverachtend. „Autoritäten“ sägst Du sprachlich ab. Glaubst Du, dass es Dich aufwertet, wenn Du abschätzig über andere Menschen sprichst? Besonders über Menschen, die aktuell in der Position sind, „uns“ zu erklären, was gerade läuft und wie wir uns verhalten sollten? Und ja, ich weiß, dass es diese Respektlosigkeit in beide Richtungen gibt. Und nein, sie ist auch an der Stelle nicht angemessen.

Ich mochte Deine zunehmende Radikalisierung nicht, Deinen Tonfall, die Wortwahl, die Art wie Du fremden Menschen pauschal irrationale Angst und Dummheit unterstelltest. Darüber haben wir gestritten, auch mehrmals, vielleicht fühltest Du Dich dann missverstanden, nicht für voll genommen, ungeliebt.

Ich hatte mir an der Stelle nicht bewusst gemacht, dass diese ganze Thematik schon ein Stück weit zu Deinem Lebensinhalt geworden ist, etwas, womit Du Dich identifizierst, wofür Du ernstgenommen werden willst. Es ist verletzend, wenn dies nicht der Fall ist, und natürlich sucht man sich dann eine Umgebung, in der man diese Wertschätzung erfährt, wo man sich nicht rechtfertigen muss, wo man sich einig ist, wo Informationen fließen, die Deine Weltanschauung bestätigen. Es entstehen zwangsläufig gewisse „Blasen“, in denen man sich wohlfühlt, auch das gilt für sämtliche Lebensbereiche, auch ich kann mich nicht davon freisprechen, dass ich mich dort wohlfühle, wo ich Wertschätzung erfahre, wo ich von Meinungen umgeben bin, mit denen ich mich identifizieren kann.

Diese Blasen werden aber nicht zum Ersatz für mein echtes Leben. Sie blubbern in ihrer Vielfalt durch meinen Alltag, ich kann sie getrost ziehen lassen. Sie sind Teil meines Lebens, aber sie sind nicht meine Welt.

Dein Glauben an das „große Böse“ bestimmt mittlerweile Dein Leben. Gleichzeitig fühlst Du Dich so viel aufgeweckter, informierter, weitsichtiger, ja sogar wie ein echter Rebell. In Deiner Welt geschieht nichts zufällig, alles ist geplant, alles verfolgt einen einzigen Zweck, Alles lässt sich so „erklären“, dass es in dieses Weltbild passt.

Wenn ich die Sorge äußere, dass es nicht gut sein kann, wenn man sich von morgens bis abends ohne Unterbrechung Tag für Tag nur mit dieser einen düsteren Blase beschäftigt, fühlst Du Dich als „irre“ abgestempelt und siehst Dich gleichzeitig darin bestätigt, dass „Ihr“ auf diese Weise mundtot gemacht werden sollt. Wer nicht Teil Deiner Blase ist, muss zwangsläufig zum „großen Bösen“ gehören. Schleichend haben wir einen Punkt erreicht, wo nicht einfach unterschiedliche Meinungen zwischen uns stehen, sondern völlig unterschiedliche Weltanschauungen, und ich sehe keine gemeinsame Basis, auf dessen Grundlage ein Gespräch, eine Diskussion stattfinden könnte. Ich würde es gerne als Interesse, als Hobby betrachten wollen, vielleicht wie ein extremer Fußballfan, der für seinen Verein lebt, aber selbst dieser Vergleich ist für Dich ein Affront, denn für Dich ist es viel mehr als das.

Mittlerweile scheue ich nicht mehr davor zurück, Deine Blase in ihrer Wirkungsweise mit einer Sekte zu vergleichen.

Das hilft mir in meiner Blase zumindest, die Situation irgendwie einzuordnen.