Dinge, die man als Landmaus super alleine machen kann? Durch den Wald latschen…. und durch eine Stadt latschen- eigentlich vorallem durch eine Stadt latschen…

Nur du bist da und „die Stadt“ Du hörst die Bewohner, du hörst es rauschen, nimmst die Gerüche wahr.

Alleine viel intensiver als wenn du mit Familie, Partner, Freunden unterwegs bist. Wer alleine irgendwo ist, kann sich treiben lassen, es wird kein Mensch kommen und sich beschweren, dass es langweilig ist, zu weit ist, Pipi, Hunger, zu kalt, müde, ich will ein Eis, können wir jetzt endlich weiter, ich hab meine Jacke vergessen, müssen wir da noch hin, sind wir jetzt endlich da, ich will aber jetzt ins Hotel, warum musst du denn jetzt schon wieder ein Foto machen…

Selbst wenn du die falsche U-Bahn nimmst, kurz nicht weißt, wo du bist, gnadenlose Umwege läufst, überhaupt einfach läufst und läufst, auch wenn du die Länge von Häuserblocks irgendwie unterschätzt hast, wenn sich die Wege durch den Park doch mehr winden als gedacht und du trotzdem keine Lust hast, dich von Google Maps dort in eine bestimmte Richtung heraus leiten zu lassen, es ist völlig wurst.

Zwischen aufstehen und sich mit einem Mitnehmkaffee und einem Frühstücksmuffin in die Stadt rotzen zu lassen verbringst du eine Viertelstunde im Bad für Klo, Dusche, Zähneputzen und vorsichtshalber nochmal Klo und kommst sogar in den Genuss, dieser Stadt ein bisschen beim wachwerden zuschauen zu können und die großzügig aufgebauten Anstellschlangenleitsysteme zügig zu durchlaufen.
Wenn du am Ende des Anstellschlangenleitsystems gesagt bekommst, dass du mit deinem Sightseeing Pass nicht hier rein kommst, sondern erst – einen Block weiter- gegen Vorlage dieser wertvollen Unterlage ein Ticket holen musst, naja, selbst das ist egal. Zumindest ist keiner sauer auf dich, weil es zu dieser Verzögerung kam. Der kurze Ärger über deine eigene Doofheit verpufft, weil du ihn erst gar nicht größer werden lassen kannst, indem du ihn zum Beispiel einer Begleitung gegenüber kundtun und dich lautstark ärgern würdest.

Wenn du alleine in einer Stadt bist, wenn du alleine in DER Stadt bist, spürst du aber auch überdeutlich, wenn sich von einem Block zum nächsten die Atmosphäre verändert. Wie es plötzlich irgendwie leiser ist, wie Menschen wenig sprechen, vielleicht sogar nur flüstern. Selbst im Anstellschlangenleitsystem wird hier weniger gelacht oder lustige Selfies geschossen. Vielleicht neige ich zu Überinterpretation, aber vielleicht ist das, was man da spürt, eine gewisse Demut.

Während du wartest, kommen dir unweigerlich Gedanken…. Wo warst du selber – damals?

In einer Stadt- alleine, Amsterdam. Man hatte noch keine Smartphones, die einen rund um die Uhr mit Neuigkeiten bombardieren konnten. Neuigkeiten, die so neu sind, dass kein Mensch sie in irgendeinen Kontext einordnen könnte, die erstmal einfach nur völlig nackt auf einen einprasseln.
Wenn man ein junger Mensch war, und keinen Internetzugang hatte, ging man ins Internetcafé direkt neben dem wunderschönen Tuschinski Kino. „EasyInternet“,ein Ableger von „Easyjet“, orange mit weißen Buchstaben, gibt es diese Fluglinie eigentlich noch? Das Internetcafé gibt es auf jeden Fall nicht mehr, schon lange nicht mehr… Das Tuschinski mit seiner Art Déco Pracht aber schon- schön!

Hier saßest du also- alleine in einer Stadt, zusammen mit 50 anderen, die hier auch alleine waren und nur mal eben Mails checken wollten. Du hörst das rasend schnelle Tippen auf 50 Computertastaturen und ärgerst dich wieder einmal, dass du noch im Zweifingersuchsystem unterwegs bist, Zeit ist Geld in so einem Internetcafé….

Plötzlich hörst du Amerikaner- laut! und denkst „Meine Güte, müssen die immer so übertreiben?“

Du hörst eine sich wiederholende Wörterwolke aus „Oh my God!“ und „No!“, du hörst Ausrufezeichen, du hörst Menschen schluchzen. Du hörst es rauschen, nimmst die Gerüche wahr. Alleine viel intensiver als wenn du mit Familie, Partner, Freunden unterwegs bist.

Keiner beschwert sich am 11. September 2001.