Lange habe ich probiert, Männer irgendwie zum tanzen zu motivieren. Bei Partnertänzen wie zum Beispiel Lindy Hop war die Grundidee immerhin einmal, dass ein Mann und eine Frau gemeinsam tanzen.

Interessanterweise gab es immer sehr viele Frauen, die gerne Lindy Hop tanzen wollen, aber nur sehr wenige Männer.
Nun gut, wir sind hier im tiefen Hochsauerland, und ich glaube, es mangelt nicht an Talent, sondern vielleicht an Mut oder Gelassenheit.

Ehrlich gesagt gab es lange Zeit fast gar keine Männer, die ihre wertvollen Körper freiwillig außerhalb bestimmter Gelegenheiten zur Musik bewegen wollten. Außer eben zu Marschmusik, aber das zum Glück auch nur zum Schützenfest.
Das klappt bis auf wenige Ausnahmen sehr gut. Es sind immer nur Einzelne, bei denen vielleicht ein gewisses Unfallrisiko besteht, sobald sie zur Musik laufen sollen.
Klingt schlimm, ist es auch.
Für mich als Zuschauerin trotzdem echte Eyecatcher, vielleicht sieht man ja noch, wie ein einziger Mann durch eine klitzekleine… Schrittvariante eine kleine  Marschkarambolage verursacht. Der Rest….1A Gruppenchoreographie. Rhythmisch ausbaufähig, aber im weitesten Sinne Bewegung zu Musik, sogar sehr ausdauernd, geradezu kilometerweit, also fast schon Tanz. Im weiteren Festverlauf auch in Form eines Walzers oder Discofoxes.

Wer schlau ist, geht an so einem Schützenfestabend auf jeden Fall mal ein paar Ründchen tanzen, umso länger kann man im Verlauf des Abends noch an der Theke stehen.
Die Gleichung ist denkbar einfach:
Wer tanzt, kann nicht trinken, wer nicht trinkt, kann nicht vor die Theke kotzen. Und siehe da: Auch in diesem Kontext erfüllt Tanz einen wichtigen gesellschaftlichen Zweck.

In unserem Ort gibt es wohl recht viele schlaue Leute, denn die Tanzfläche ist an so einem Schützenfestabend ziemlich gut besucht. Wie ein Salsaclub auf Cuba…. oder eine Tango Klause in Buenos Aires.
Nur ohne Buena Vista Social Club oder Bandoneonspieler, die alle Hits von Astor Piazzolla drauf haben. Stattdessen Musikverein Eintracht. Die können zum Glück nicht nur alle Hits von Ernst Mosch. Statt Mojito oder furchtbar schweren Rotwein gibt es einen Meter Bier und zwei Cola zum mischen.

Wenn man seinen Blick dann ganz verträumt über diese sauerländische Tanzfläche schweifen lässt, entsteht der Eindruck, das Tanzen sei eine extrem beliebte Freizeitbeschäftigung in dieser Region, und zwar völlig unabhängig von Alter und Geschlecht, exakt genau so wie es sein sollte, hurra! Entspannte und lachende Gesichter.
Verflixt, die können mir doch nicht weismachen wollen, dass tanzen keinen Spaß macht!? Dass sie nur auf der Tanzfläche sind, um später nicht vor die Theke zu kotzen? Was läuft da im Denken irgendwie in eine dunkle Sackgasse, wenn diese gutgelaunten hüpfenden Leute zwei Tage später behaupten “Also tanzen…. das ist ja nichts für mich!”?

“Aber du hattest doch offensichtlich Spaß beim tanzen!”

“Jaaaa…. auf dem Schützenfest…. das ist ja was anderes!”

“Du könntest auch außerhalb von Schützenfesten tanzen.”

“Ja, weiß ich doch! Karneval!”

“Was?”

“Was?”

Und so bleibt es dabei, dass die meisten Sauerländer Männer sich das Tanzen für besondere Gelegenheiten aufsparen und ihre Tanzfreude nur dann ausleben, wenn sie ihre herrlich ausgelassene Bewegungsfreude damit entschuldigen können, dass sie vielleicht schon ein Bier zuviel hatten.
Das würde allerdings auch erklären, warum so viele Menschen so schlecht gelaunt sind. Keine Tanzgelegenheit in den vergangenen zwei Jahren!

Happy world dance day