Ich habe jetzt ein Theaterabo…
…für die Kulturinitiative des Nachbarortes und finde es super. Die Kaufentscheidung war schnell gefasst. Erst als ich mich irgendwann sagen hörte  “Nee, keine Zeit. Heute abend hab ich Abokarten.”, fühlte ich mich plötzlich kurz mal sehr…. alt.

Als ich als Jugendliche anfing, mich für die hiesigen Kulturangebote zu interessieren, hieß die örtliche Mehrzweckhalle noch Kur- und Konzerthalle, und in der Sesamstraße wohnten Horst Janson und Lilo Pulver.
Ein Theaterabo hatten früher nur sehr erwachsene Menschen und Lehrer und Rechtsanwälte. Und deren Stammtische. Ärzte auch, aber die waren nie da, weil sie immer Dienst hatten. So sah die Welt zumindest für mich als Jugendliche aus.

Ehrlich gesagt interessierte ich mich nicht weiter für das breite Theaterangebot, es genügte alles, was irgendwie “Tanz” dabei hatte. Das war dann mal Dornröschen von irgendeinem russischen Tourneeballett oder auch “Hair”. Verrückt! Hair, das problembeladene Hippie Musical in der Kur- und Konzerthalle….mit ohne Klamotten im Finale auf der Bühne… das gibt es noch nicht mal zum Karneval, zumindest nicht mit Absicht, glaube ich. Hoffe ich. Wahrscheinlich lief es nicht im Abo….
Für damals war mir “Hair” deutlich zu wenig Tanz. Meine Musicalerwartung war Cats, Chorus Line und Cabaret, und mit zwölfdreizehn oder so lag mir die 68er Gesamtthematik doch sehr fern. Zeitalter des Wassermanns? Keine Ahnung, und auch heute wäre “Hair” nicht das erste Musical meiner Wahl, wenn ich mir eins aussuchen dürfte. Letztendlich bin ich rückblickend erleichtert, dass sie nicht nackt eine große Finalenummer getanzt haben.

Musical…. das muss man schon wollen, und wenn Musical, dann darf es ruhig auch die opulente Ausstattung, riesige Choreographien und Hauptdarsteller sein, die sich furchtbar laut ansingen, obwohl sie so nah zusammenstehen. Himmel, was brüllen die sich an….. ! Mit amerikanischem Akzent, so dass man sämtliche Musical Soundtracks von damals auch ausschließlich MIT Akzent mitschmettern kann. Oder der männliche Hauptdarsteller war Uwe Kröger. Keine Ahnung, wie er es damals geschafft hatte, in allen fünf Musicals in Deutschland gleichzeitig herumzubrüllen…

Gut, diese Musicals fanden ehrlich gesagt nicht unbedingt auf der Bühne der Kur- und Konzerthalle statt.
Aber die großen Ballette, alles was Tschaikowski hergab: Ich erinnere mich an meine erste Ballettvorstellung und wie fasziniert ich davon war, wieviel Lärm die Spitzenschuhe auf dem Bühnenboden erzeugten.
Gefühlt gab es damals im Besucherringprogramm immer eine Tanzvorstellung mit großem Ensemble. Heute…. Paul Panzer statt Bolschoj Ballett…

Zum Saisonstart nahm ich jedes Mal das Besucherring Heftchen mit dem Programm für das kommende Jahr mit. Ach was sage ich…”Heftchen”…. das war schon eine richtige Broschüre. Wahrscheinlich standen auch noch die wöchentlichen Kur Konzerte mit drin. War ja auch die “KUR- und Konzerthalle”.

Es gab immer viele Theaterstücke. Für meinen Geschmack zu viele, schließlich wollte ich lieber Tanz sehen. Dafür waren die aber immer mit Horst Janson…. aus der Sesamstraße… und mit sämtlichen Darstellern, die irgendwann mal eine Rolle beim Traumschiff hatten. Heide Keller zum Beispiel. Die war bestimmt auch häufiger als einmal in Olsberg auf der Bühne zu sehen. Oder es war Heidi Kabel…. oder Inge Meysel. Vielleicht war die aber auch nur zur Frischzellentherapie hier.

Machen das TV Schauspieler eigentlich noch? Mit einem Schwank über Mehrzweckhallenbühnen touren? Oder müssen die stattdessen direkt ins Dschungelcamp? Weil sie nicht in der Lage sind, sich mehr Text als für ihre daily Dokusoap notwendig ist, zu merken? Musste am Ende selbst Samson in der Sesamstraße damals schon mehr Text lernen als manche heutige TV Stars?

Heute heißt es nicht mehr “Kur- und”, sondern nur noch “Konzerthalle”, und fürs Theaterabo muss man einen Ort weiter fahren. Dafür ist das aber komplett Schwank- und Traumschifffrei. In der Sesamstraße ist Bjarne Mädel zu Besuch, und ich glaube, nein, ich bin mir sicher: Die Lehrer und Rechtsanwälte heutzutage sind auch viel jünger als damals.