“Hast du auch das Adressbuch dabei für die Postkarten?”

Ich kann kaum genau sagen, wann diese Frage beim Packen für den Urlaub zuletzt bei uns durch die Wohnung schallte. Anfang dieses Jahrtausends vielleicht, als man anstelle eines Smartphones ein nur halb so smartes Handy hatte. Dieses schaltete man selbstverständlich mit Übertreten der Landesgrenze spätestens aus, weil ein aus Versehen eingehender Anruf aus dem Heimatnetz das Tor zur Kostenhölle gewesen wäre. Also kaufte man sich im Urlaub bei ausgeschaltetem Handy eine Telefonkarte für die Telefonzelle, um zuhause melden zu können, dass man

  1. gut angekommen war
  2. alles gut ist, auch das Wetter
  3. das Essen schmeckt
  4. und ja, auf sich aufpasst und nicht mit zuviel Bargeld auf einmal herumläuft

Wenn man schlau war, erklärte man dann noch schnell, dass man sich erst wieder melde, sobald man zuhause angekommen sei.
Danach kaufte man im nächstbesten Souvenirshop 20 Postkarten und wenn man mitgedacht hatte und Glück hatte auch gleich die passenden Briefmarken dazu. Meistens…. kaufte man die Postkarten ohne Briefmarken, denn man hatte nicht mitgedacht oder Pech, dass die Bude keine Briefmarken verkaufte. 5 bis 10 der Karten würden nie einen Briefkasten von innen sehen, aber der gute Wille war auf jeden Fall immer da.
Ich als Prokrastinationstrine schleppte dann die Karten mit Adressbuch und Kugelschreiber ungefähr fünf Tage mit mir herum. Dauerte der Urlaub wesentlich länger auch wesentlich länger.

“Heute Nachmittag am Strand, da kann ich super Postkarten schreiben.”

In  Wirklichkeit hatten die Karten dann zwar einen super Strandurlaub, wurden von dem Hin- und Hergeschleppe allerdings nicht schöner, und der Kugelschreiber gab auch irgendwann auf, weil sich der feine Strandsand, der sich unter den Füßen so angenehm anfühlte, nicht nur zwischen den Zehen, sondern auch rund um die Kugeschreiberkugel festsetzte.
Irgendwann landete das nasse Handtuch auf einer Karte. Da half auch der Klecks ausgelaufene Sonnencreme nicht dabei, die Falten fernzuhalten. Gut, dass ich gleich genügend Karten gekauft hatte. Gut, dass ich diese Karten noch nicht beschrieben hatte! Gut, dass noch keine Briefmarke drauf klebte!

Meistens wurden die Karten kurz vor der Abreise geschrieben. Ab da probierte man leicht verzweifelt, irgendwo eine Verkaufsstelle für Briefmarken zu finden.
Immerhin konnte man dann auch theoretisch schon eine Menge schreiben über das, was man so erlebt hatte. Ehrlich gesagt war es am Ende aber doch nur

  1. das Wetter ist schön
  2. die Umgebung ist schön
  3. wir haben viel erlebt
  4. das Essen ist auch lecker.

Mir fällt auf, dass das mit dem Essen scheinbar eine Information ist, die ich sehr wichtig finde mitzuteilen….

Offensichtlich brauche ich nicht viel für einen gelungenen Urlaub: Gutes Wetter und gutes Essen.

Es gab diesen Anspruch, dass jede Karte trotz der weitestgehend selben Informationen doch individuell für den Empfänger geschrieben wurde. Dieser Anspruch relativierte sich, als ein Reisebegeleiter irgendwann fragte, ob ich ihm nicht eine Karte zum abschreiben geben könnte.
Der kleine Anflug von Empörung machte schnell einem gewissen Pragmatismus Platz. Seitdem mussten Postkarten für mich zumindest nicht mehr bis zum Anschlag in kleiner Schrift gefüllt sein.
Und je weniger drauf steht, desto geringer ist die Gefahr, dass knapp ein Drittel des Textes eh von Stempeln und Strichcodes übermalt und damit unleserlich würde.

Seit einigen Jahren steht auf der Packliste längst nicht mehr “Fotoapparat und Filme”.

Jedes Smartphone knipst mittlerweile mindestens genauso schöne Fotos wie der Knipsapparat von damals, und weil es so einfach ist, stelle ich ausgewählte Urlaubsfotos in meinen Whatsapp Status.
Das hat den Vorteil, dass jeder, der mag, schauen kann,

  1. wie das Wetter ist
  2. wie die Umgebung ist
  3. was ich erlebt habe
  4. wie das Essen schmeckt.

Außerdem schone ich so die Speicherkapazitäten der Empfängersmartphones. Einmal drüber geschaut, kurz mitgefreut, und ein paar Stunden später einfach nicht mehr da. Urlaubspostkarte auf Abruf sozusagen, sogar mit wirklich echten aktuellen Fotos von Wetter, Umgebung, Erlebnis und manchmal Essen. Aber leider nichts für an den Kühlschrank. Am Ende also doch kein Urlaubspostkartenersatz?

Im letzten Urlaub hatten wir eine Postkarte gekauft. Die musste sein, denn das war eine Ferienhausaufgabe des jüngsten Mitbewohners, und im nostalgischen Eifer haben wir sogar ein Viererset Briefmarken gekauft, “Wäre doch schön, wenn wir an X, Y und Z auch eine Karte schicken!”

Die Hausaufgabenpostkarte an die Klasse haben wir beim Auschecken an der Rezeption abgegeben, immerhin frankiert. Und das mit den restlichen Postkarten war leider an

  1. aber das ist doch ein Wintermotiv
  2. da waren wir doch gar nicht wirklich
  3. die stehen bestimmt schon seit zwanzig Jahren hier rum
  4. wir finden bestimmt noch ein paar schönere Karten

gescheitert.

Braucht noch jemand drei österreichische Briefmarken für den nächsten Urlaub in den Bergen?