Ungeahnte Möglichkeiten, ich freue mich sehr! Denn diese Woche kommt die Freitagsflause wieder mit einer wunderbaren Illustration daher.
Dieses Mal hat mir Anne ihre Lieblingskritzelei gezeigt, und ich darf meinen Flausen freien Lauf lassen (So! Jetzt lest die letzten acht Wörter des Satzes mal ganz schnell ganz laut, Fischers Fritz ist nix dagegen, würde ich sagen)

lauter Möglichkeiten

“Entdecke die Möglichkeiten!”, “Come in and find out!”, “Nichts ist unmöglich!”, “Wir machen den Weg frei!”….eventuell merkt man mir hier und da ein bisschen an, dass ich als Kind diejenige war, die sich sogar auf die Werbung gefreut hat. … Alles so schön bunt hier!
Außerdem das gelobte “Land der unbegrenzten Möglichkeiten”, sie mussten irgendwas vielversprechendes haben, diese “Möglichkeiten”.

Wenn wir nach Mittelwesteuropa hineingeboren werden, sitzen wir erstmal recht komfortabel in unserem eigenen Möglichkeitsraum. Das ist an sich schonmal ziemlich knorke, denn wären wir nach Brasilien geboren worden… in die Favelas irgendwo am Rande Rio de Janeiros zum Beispiel, hätten wir nicht viele Möglichkeiten und noch weniger Raum, oder umgekehrt. ….  Ich will jetzt nicht übermoralisch werden, aber …kann man ja mal sagen.

Manchmal kommt jemand vorbei und stellt uns etwas neues in unseren Raum. Vieles nehmen wir recht selbstverständlich an, in die Schule gehen, Menschen treffen. Andere Angebote schieben wir irgendwo in die Ritze zwischen den Bodendielen hinten in der Ecke. Ein Mathe-As werden zum Beispiel, aber vielleicht stand diese Möglichkeit auch einfach zu hoch auf dem Regal, und wir hatten uns nicht die Mühe gegeben, extra die Leiter mit dazu zu holen, um ran zu kommen.
Oder die Leiter war gerade nicht in unserem Möglichkeitsraum, und als wir sie wieder hätten benutzen können, war die Möglichkeit bereits umgekippt, verstaubt und vergilbt.

Keine Leiter, kein Mathe-As, und als ich doch groß genug war, um ohne Leiter heran zu kommen, habe ich das verstaubte und vergilbte Etwas in die Ritze hinten in der Ecke geschoben. Im Laufe der Jahre kamen dann weitere Möglichkeiten dazu (fließend Latein sprechen, selbe Ritze, tut mir leid! Tanzen lernen….. Ha! Diese Möglichkeit nutzte ich und irgendwann lag da ein Schlüssel, an dem sogar mein Name stand)

entdecken

Häufig kommen wir selber darauf, dass dieses kleine vertraute Zimmer zwar schon ganz nett und komfortabel, aber noch nicht “alles” ist.
“Entdecke die Möglichkeiten!”
Und wenn es jemand wirkllich gut mit uns meint, ermutigt er oder sie uns, dies auch auf jeden Fall zu tun.
Wir öffnen vorsichtig die Tür unseres eigenen vertrauten Raumes, hinter uns lauter genutzte, ungenutzte und abgenutzte Möglichkeiten, und schauen in diesen endlos langen Flur mit sicherlich drölfzighundertfünfdriezwotausend Türen.
Viele sind verschlossen,
manche sind nur ein bisschen angelehnt,
andere stehen sperrangelweit auf.
Einige sehen recht einladend aus.
erstaunlich viele wirken ein bisschen zu farblos.
Aus ein paar wenigen dringen eigenartige Geräusche.
An diesen huschen wir vorsichtig vorbei und hoffen, dass uns niemand bemerkt. Man muss nicht sofort schon überall seine Nase rein stecken.

Irgendwo in dem langen Flur hängt ein großer Schrank, auf dem “Schlüssel, bitte bedienen Sie sich!” steht.
An der Innenseite der Schranktür hängen zweidrei, die sorgfältig beschriftet sind, die anderen liegen kreuz und quer in irgendwelchen Schuhkartons herum.
Puh… diese Schlüssel irgendeiner Tür zuzuordnen, dürfte Fleißarbeit sein… oder man hat einfach Glück und findet eher zufällig den passenden zur Wunschtür.
Ah…. die paar Schlüssel aus unserem eigenen Raum nehmen wir besser auch mit.

die Sache mit den Schlüsseln

Wir steuern bestimmte Türen sehr zielstrebig an, für einige haben wir den Schlüssel bereits in die Hand gedrückt bekommen. Vielleicht schauen wir ein bisschen neidisch rüber zu der einen Tür, wo gerade jemand den passenden Schlüssel aus seiner Jackentasche zieht. Sieht sogar aus wie ein Universalschlüssel, wie praktisch eigentlich.
Ich bin kurz etwas angepisst, “Warum habe ich eigentlich keinen Universalschlüssel bekommen?”. Ich denke kurz nach und bin dann dankbar, dass ich überhaupt ein paar Schlüssel dabei habe.
Vier Türen weiter klopft ein Typ schon eine ganze Weile an eine verschhlossene Tür. Von drinnen ruft jemand “Vergiss es!” Irgendwie kommt mir die Stimme bekannt vor.
Von ganz draußen höre ich Menschen, die schon glücklich wären, wenn sie im Schlüsselschuhkarton wühlen dürften.

Dieses Schloss direkt an der Tür vor mir sieht so verschnörkelt aus, da passt vielleicht wirklich nur der eine Schlüssel hier, an dem sogar mein Name steht. Nix Universalschlüssel! Diese Tür schließe ich auf,  und es fühlt sich an als hätten diese Möglichkeiten hier nur auf mich gewartet. Ich nutze sie alle.

neue Räume

Irgendwann haben wir unsere offensichtlichen Möglichkeitsräume abgefrühstückt. Dann stecken wir unsere Köpfe auch mal in einen der Räume, die uns sonst zu farblos vorkamen oder sogar die, an denen wir zunächst vorbeigeschlichen waren.
Es wäre schön blöd, wenn wir nicht wenigstens mal hereinschauen würden.
In einigen Räumen lernen wir Menschen kennen. Ein paar von ihnen nehmen uns mit in Räume, zu denen wir selber bisher noch keinen passenden Schlüssel finden konnten. Ein paar nehmen wir mit in unsere Räume. Überhaupt gefällt es uns immer besser, wenn wir einige unserer Möglichkeitsräume mit anderen teilen können.

Wir bewegen uns immer entspannter zwischen unseren Möglichkeitsräumen hin und her.
Selbst wenn eine Tür verschlossen bleibt, finden wir irgendwo eine andere. Der Raum dahinter ist vielleicht ganz ähnlich, nur mit einer anderen Tapete. Wer mit ein paar Abweichungen klarkommt, hat es ganz klar leichter.

Möglichkeitsräume

Vier Türen weiter klopft immernoch der eine Typ an die verschlossene Tür.
“Reich und berühmt werden” steht dran.
Ok, den Schlüssel hätte ich auch nicht zurück in den Schuhkarton geworfen.
So richtig zuversichtlich wirkt er nicht mehr. “Ey Alter, du kommst hier nicht rein!” Die Stimme, die von drinnen kommt, erinnert mich an Dieter Bohlen. Ähm nein, hier möchte ich doch nicht rein.

Wir sammeln ein paar Schlüssel an unserem Schlüsselbund, andere werfen wir eher achtlos zurück in den Schukarton im Schrank. Manche Räume sind uns wichtig, auch wenn wir aus ihnen rausgewachsen sind. Diese Schlüssel hängen wir beschriftet an die Innenseite des Schlüsselschrankes.

Ein Junge, der ausnahmsweise von draußen hereinkommen durfte, hat fünf Schlüsselschuhkartons im Flur sitzend durchwühlt und nun einen passenden Schlüssel gefunden. Es ist kein besonderer Raum, den er nun betreten kann, der Schlüssel setzt schon leichten Rost an, und er lag ganz unten im Karton. Der Schlüsselanhänger ist schon etwas zerfleddert, aber man kann noch gut die Buchstaben lesen, die darauf stehen: MUT

Der Typ mit dem Universalschlüssel beansprucht ihn ab sofort für sich.