vielleicht eine etwas sperrige Überschrift, aber tatsächlich hatte dieser Themenwunsch mich auf den Weg zu dieser kleinen Gartengeschichte gebracht 😉

Mein Schwiegervater ist Gärtner. So richtig. So mit Beruf und gleichzeitig Hobby, wenn man bei einem Selbstversorger-nutzgarten von Hobby sprechen möchte, und vielleicht ist ihm sogar der Garten genauso wichtig wie seine Familie. Oder…. nein, ganz bestimmt sogar. Ideal wäre, man brächte Gartenhilfspotenzial mit. Wie der große Enkel zum Beispiel. Der könnte theoretisch an Schüppe und Harke schon ganz gut die Muckis spielen lassen. In der Praxis ist er allerding ein Teenager, dem ganz viele andere Sachen einfallen, die er lieber machen würde, als den Garten instand zu setzen.

Mein Schwiegervater ist der Mann, der über Jahrzehnte jedes Blümchen in egal welcher städtischen Anlage nicht nur mit Namen, sondern persönlich kannte, denn im Zweifel war er es gewesen, der dieses Blümchen in seinem Stadtgewächshaus überhaupt erst hatte wachsen lassen. Der Vorteil bei so viel persönlicher Beziehung war natürlich, dass er sofort erkannte, welches freche Pflänzchen sich da quasi uneingeladen mit ins Beet gesetzt hatte und er dieses umgehend von seinen eigenen kleinen Schützlingen entfernen konnte.
Ich weiß gerade gar nicht, ob wir uns mit solchen Praktiken schon ganz leicht ins Feld der politischen Unkorrektheit oder fieser Ausgrenzung bewegen, aber aus der Sicht meines Schwiegervaters war das gnadenlose Entfernen pflanzlicher Eindringlinge die einzig logische Handlung in seinem Gärtnerverständnis. Dabei sehen seine Anpflanzungen nie steril oder mega oberstylisch abgehoben aus, aber jede Pflanze hatte immer einen sinnvollen Platz bekommen und spielte so ihre besondere Rolle in dem kleinen Beetmikrokosmos (kleiner Mikrokosmos ist doppelt gemoppelt, aber es waren halt auch sehr kleine Beete dabei!)

Dieses Jahr wird er 90 Jahre alt, und der vergangene Winter war der erste, in dem es keinen selbstangebauten Grünkohl gab. Und das, obwohl er zu diesem Gemüse eine ganz besondere Beziehung zu pflegen scheint. Anders kann ich es mir kaum erklären, dass wir damals anstelle eines Zaunes oder einer normalen Hecke eine Grünkohlhecke auf der Grenze zu unserem Nachbargrundstück stehen hatten. Ja, wir hatten das große Glück, dass er unseren Garten mit viel Hingabe angelegt hat, und natürlich war der Garten schneller fertig als wir mit unserem Innenausbau. Statt Grünkohl steht jetzt aber auch bei uns Buche, also war das sicherlich ein eigenartiger Winter für meinen Schwiegervater.
Sollte es übrigens etwas wie ein „Gärtnergen“ geben, bin ich mir ziemlich sicher, dass es mindestens eine Generation überspringt, egal wie sehr er sich bemüht, seinen Sohn in die Geheimnisse des sinnvollen Gärtnerns einzuführen.

Sein Tomatenhaus wird aber bestimmt auch in diesem Jahr mit Hilfe des Enkels wieder aufgebaut werden. Im Sommer erntet er dann so viele Tomaten, dass sie in Holland, Spanien und Italien direkt die Produktion zurückfahren können, weil hier mehrere Haushalte über mehrere Wochen mit mehr als genug Tomaten versorgt werden.

Wo heute stylische Lebenshelfer-Bücher darüber geschrieben werden, wie man wieder „einfacher“ und „im Einklang mit der Natur“ leben kann, tut er es einfach. Ganz unprätentiös. Wenn die Natur sagt “So, jetzt und nicht später ist es an der Zeit, deine Tomatenpflanzen auszupflanzen!“, dann pflanzt er Tomaten aus. Wenn die Bäume geschnitten werden müssen, dann schneidet er. Und wenn die Beeren/ Tomaten/Bohnen/Kohlrabi/ Zucchini/ Erbsen/ Möhren/ Porree/Pflaumen/ Äpfel oder sonstwas geerntet werden müssen, dann erntet er. Wenn 30 Köpfe Salat reif sind, dann gibt es die nächsten Wochen täglich Kopfsalat, egal wie schlecht die Erinnerungen daran sind, weil man als Kind immer kleine Schnecken auf dem Teller herumkriechen hatte. Und im Winter gab es jeden Samstag Grünkohl, aber erst nach dem ersten Frost!

Da mein grüner Daumen eher auf dem Level „lässt auch Kunststoffpflanzen sterben“ liegt, hat er es irgendwann aufgegeben, mir klarmachen zu wollen, dass bestimmte hübsche Blümchen es an der Stelle wo ich sie gerade hinsetzen wollte überhaupt keinen Sinn ergeben, geschweige denn dass sie dort eine Überlebenschance haben. Außerdem das mit dem Bodenfrost…. böse Falle! Über die Jahre habe ich insgeheim auch ein bisschen dazugelernt, da kommt der Blumenpott mit den Primelchen eben über Nacht kurz rein.
Ich finde es aber auch ganz ok, hier und da einfach mal auf Schnittblumen auszuweichen. Die sind quasi schon tot, oder…. zumindest ist es nicht meine Schuld, wenn sie nach einer gewissen Zeit ihre Köpfe hängen lassen.