Damals….. sogar noch bevor ich endlich irgendwann in den Kindergarten gehen durfte, war ich ein richtiges Oma-Kind. Kein Wunder, so eine Oma erlaubt alles, macht alles und hat alle Zeit und Liebe der Welt für dieses eine relativ putzige Kind, das nur allzu gerne seine kleine klebrige Patschehand in die schrumpelige warme Hand der Oma legt. Wir hatten unsere kleinen Strecken durchs Dorf, und in meiner Erinnerung war das Wetter immer schön, und der Himmel immer blau. Vielleicht waren wir auch nur bei schönem Wetter unterwegs, aber das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

Manchmal gingen wir in die Kirche.

Dort musste ich dann eine Weile alleine in der Kirchenbank warten, durfte dafür aber Omas Gotteslob mit den unzähligen losen Heiligenbildchen darin durchblättern. Ich glaube, die Marienbildchen fand ich dann doch am hübschesten. Die waren ein bisschen wie die Bilder in den Märchenbüchern, immerhin hatte Maria ein schönes langes Kleid an und guckte recht freundlich in die Runde. Dass der Heiligenschein in Wirklichkeit doch keine Prinzessinnenkrone war, konnte ich problemlos verdrängen.
Heute muss ich ein bisschen schmunzeln, dass meine Oma regelmäßig in Bigge zur Beichte ging statt in Medebach,  wo sie eigentlich wohnte. Wahrscheinlich war es unverfänglicher, jemand fremdem seine vermeintlichen Sünden zu erzählen als dem Dorfpastor, der einem übernächste Woche beim Schützenfest gegenüberstehen würde, wenn man selber die Sektbar schmiss und erfolgreich seine Kundschaft abfüllte.

Meine Lieblingsstrecke führte oberhalb des Kindergartens entlang. “DA will ich rein!” Hatte ich bei der Grundschule nie gesagt, die auch auf unserem Weg lag…
Ich konnte stundenlang am Zaun stehen und zuschauen, wie die “Großen” auf dem Spielplatz spielten, und heute weiß ich: Nur eine Oma konnte die notwendige Geduld aufbringen, mit mir einfach dort stehen zu bleiben. Einfach so. Ohne zwischendurch vor lauter Langeweile auf ihrem Handy herum daddeln zu wollen. Ich glaube, für sie genügte es schon, wenn sie beobachten konnte, wie ich die anderen Kinder beobachtete. Omaliebe…

Letzten Freitag war der Himmel blau.

Oma-Hanni-Spaziergangs-blau, und es flogen Düsenjets mit ohrenbtäubendem Lärm über unser Dorf. Wie damals auf unseren kleinen Spaziergängen. Ich hatte dieses Geräusch schon dermaßen lange nicht mehr gehört, dass ich mich kurz wieder wie drei Jahre alt fühlte und meine Oma hörte, die sagte “Das SIND aber auch gemeine laute Flieger!”, und ich hielt mir die Ohren zu und Oma drückte mich an sich. Manchmal murmelte sie noch “Die fliegen nur ins Manöver…” Keine Ahnung, wie lange ich davon überzeugt war, “Manöver” sei irgendein bestimmter Ort, wo sich alle Düsenjets des Himmels trafen. Sollten sie doch dort fliegen statt hier in unserem himmelblauen Spaziergangshimmel.

Letzten Freitag flogen die Jets nicht ins Manöver.

Irgendeine Oma musste ihrem Enkelkind sagen. “Die fliegen jetzt in den Krieg.”, und zum Glück wissen weder diese Oma, noch das kleine erschrockene Kind aus eigener Erfahrung, was das bedeutet.
Wir können dankbar sein, dass der Himmel über uns noch himmelblau ist. Können dankbar sein, dass die Flieger nur auf dem Weg irgendwo hin über uns hinweg fliegen. Dankbar sein, dass der Krieg so weit entfernt ist, dass wir ihn nur auf unseren Bildschirmen sehen und hören müssen. Trotzdem spüren wir, dass dieser Krieg uns alle angeht.

Danke, dass die gemeinen lauten Flieger damals nur ins Manöver flogen. Dass wir so viele Jahre erleben durften, in denen sie noch nicht einmal mehr flogen, weder ins Manöver, noch sonstwo hin, egal wie blau der Himmel war.

Einfach nur himmelblauer Himmel…. Ich hätte es unseren Kindern auch so sehr gewünscht!