Man kann es lieben oder hassen… oder sich aus der Not heraus damit abgefunden haben so wie ich und das beste daraus machen:
Das Schützenfest ist eine Institution im Sauerland, das Fest der Feste, das Hochfest, der Prototyp einer gelungenen Party, quasi der Feierstandard für jeden Sauerländer. Das geht manchmal so weit, dass man Hochzeiten kaum von einem Schützenfest unterscheiden kann, sobald sie in einer Schützenhalle stattfinden. Außer, dass das Kleid weiß ist und zum Glück der Spielmannszug nicht spielt.
Selbst die Thekenmannschaft ist mitunter dieselbe, und auf der Toilette möchte man fünfzig Cent für die nette WC-Managerin auf eine Untertasse werfen. Die hat heute aber frei, und auf dem Damenklo findet man auf der Hochzeit in einem hübschen Körbchen Deo, Tampons und Erfrischungstücher. Auf dem Schützenfest findet man hier nur abgestellte halbvolle Biergläser. Ich hoffe doch zumindest, dass es Bier ist… Schlimm, wenn man nüchtern über diese Gegebenheiten beginnt nachzudenken.

Schützenfest ist hier das normalste der Welt, und unter dem Schirm von “Glaube, Sitte, Heimat” reist so manche Tradition seit Jahrhunderten wie in einer Zeitkapsel immer weiter durch die aktuelle Gegenwart. Gibt es überhaupt eine aktuelle Gegenwart? Naja, es gibt vielleicht eine zukünftige Gegenwart, dann sicherlich auch eine vergangene… und damit auch eine aktuelle. Aber völlig egal, in welcher Gegenwart wir uns befinden, die schützenfestlichen Traditionen werden für immer erhalten bleiben.
Ich habe irgendwann aufgehört, mich kritisch damit auseinander zu setzen. Zumindest habe ich inzwischen verstanden, dass es so ist wie es ist…. und auch so bleibt wie es ist.

Zum Glück für alle Hüter der Zeitkapseln sieht das Konzept des Schützenfestes vor, dass drei Tage lang mehr Bier getrunken wird als man an normalen Tagen überhaupt jemals an Flüssigkeit zuführen würde. Ein weiteres Phänomen dieser Schützenfestfeierei. Drei Tage lang so viel Wasser und Kräutertee trinken wie auf einem Schützenfest Bier wäre wahrscheinlich eine 1A Entschlackungskur. Keine Ahnung, ob es hilfreich wäre, wenn man sich den Tee als Meter von der Theke holen würde…

Für Außenstehende klingt das mit der ausgiebigen Bierfröhnerei sicherlich etwas bis sehr befremdlich. Zu Recht! Ich will es auch gar nicht schönreden, noch nicht mal mit “Tradition” fadenscheinig begründen, aber…. Nachdem ich einmal montags morgens, dem dritten Tag eines Schützenfestes, um 10:15 Uhr von einem Damenkränzchen feierlich begrüßt wurde, indem man mir ein Fläschchen Kümmerling zum sofortigen Verzehr vors Gesicht hielt, weiß ich zumindest, dass “Bier trinken” noch die, naja, solide Variante des Schützenfestfeierns ist. Ich habe dankend verzichtet.

Das Konzept des exzessiven Bierverzehrs verhindert es auf jeden Fall sehr effektiv, sich weitere Gedanken über zeitverkapselte Traditionen zu machen. Vielleicht hat der Erfinder des Schützenfestes ganz zu Beginn sehr vorausschauend bestimmt: “Wichtig ist, dass beim Schützenfest unglaublich viel gesoffen wird, dann ist es auch egal, was wir ansonsten für Regeln festlegen.”
Letztendlich sind diese dem normalen Freizeit-Schützenfestgänger auch egal. Dessen Motivation ist sehr einfach: Da ist ein Fest in der Schützenhalle, und ich kann einfach so hingehen. Ohne Einladung. Ist ja keine Hochzeit. Und dann sind da nette Leute, Getränke und Musik, Reihenfolge beliebig.

Eine Lieblingskopfschütteltradition habe ich aber trotzdem. Kommt aus dem überübernächsten Nachbartal und hat sich in unserem Dorf nicht durchgesetzt: das Schmiermädchen. Kennste nicht? Egal! Vielleicht hatte es sich so zugetragen…

 

das Schmiermädchen

Beim Schuss auf den Vogel ist nur “Mannvolk” erlaubt.
Klingt unzeitgemäß und keiner glaubt,
dass die Damen geduldig beim Sektfrühstück sitzen.
Sie findens ok, sonst müssten sie jetzt unter der Vogelstange schwitzen.

Wenn beim Schützenfest also das Testosteron regiert,
ist da die eine, der das ziemlich egal ist,
weil es wichtig ist, dass sie da ist,
weil Mann zum Bier ja auch schon mal isst.

Denn:
Ohne zu essen wird das Trinken schwer,
an der Pommesbude gibt es aber kein Frittenfett mehr.
Nur eine Frau kann Abhilfe schaffen. Die Königin vielleicht?
Nee, die hat von gestern noch nen Affen (oh Gott, ich hasse mich für diesen bisher beklopptesten Reim, mal sehen, was NOCH kommt)

Die Jungs sind beschäftigt mit saufen und schießen.
“Ich würd jetzt so gerne was Essbares genießen!”
Weiter geht es mit schießen und saufen.
“Kann denn nicht mal jemand zum Bäcker laufen?”
“Nee, wir sind doch alle beschäftigt hier!”
“Jau, hast Recht, los, gib mir noch ein Bier.”

“Boah, jetzt ein Bütterken mit Käse und Wurst,
das wär was, das würde gut passen zum Durst.”
…sprach der Bruder, der Bruder der Schützen,
und wie im Traum sah man es aus der Ferne blitzen:

Eine Horde von Frauen, bewaffnet mit Messern.
“Gewährt uns Zugang, sonst werden wir euer Bier verwässern!”
“Oh Herre das geht nicht, das darf so nicht sein.
Jetzt lasst doch die Frauen zum Schützenplatz rein!”

“Halt!” rief der Oberhauptmannkommandant
“Lassen wir das so zu, werden wir doch überrannt!
Diese Frauen bekommen eine Aufgabe hier.
Ihr schmiert jetzt die Brote, die Bütterkes zum Bier!”

Die Frauen guckten sich an “Also gut, lasst uns rein.
Wir werden ab jetzt hier die Schmiermädchen sein.”

Ein bisschen fehlt mir jetzt ein glückliches Ende,
aber so ist das beim Schützenfest, es gibt keine Wende.
Ich trink es mir schöner mit einszweidrei Bier.
Das ändert zwar nichts, aber dann ists entspannter hier.