Ich bin erwiesenermaßen eine Person, die gerne tanzt. Wirklich! So gerne, dass ich damals im BIZ bei der Berufsberatung auf die 40 Fragen zum Traumberuf verzichten konnte, weil eh klar war, dass ich “irgendwas mit Tanz” machen würde. Positiv ausgedrückt würde ich heute sagen: Schön, dass es ein passendes Berufsbild zu meinen Vorlieben und Fähigkeiten gibt. Man könnte aber auch sagen… es ist leicht, sich für einen Beruf zu entscheiden, wenn man nur eine Sache kann.

Es gibt trotz aller Liebe zum Tanz ein sehr düsteres Kapitel in meiner Tanzlaufbahn.

Während ich als Jugendliche im Ballett-, Jazz- und Steppunterricht sehr fröhlich und entspannt das Gefühl hatte, “Jau, macht Spaß!”, lernte ich mit vierzehnfünfzehn die Schattenseiten des Tanzkosmos kennen. Ja richtig, ich kann noch nicht einmal mehr genau sagen, wie alt ich war. So erfolgreich habe ich diese Zeit wohl verdrängt.

Ich frage mich heute wirklich, welcher böse Mensch entschieden hatte, dass es eine prima Sache sei, pubertierende Jugendliche  gemeinsam in einer Schützenhalle oder einem beliebigen anderen großen Saal zusammenzutreiben, um ihnen beizubringen, wie man ohne größere Schäden zu verursachen miteinander tanzt.
In einem Alter, wo die Schweißdrüsen wirklich erstaunliche Geruchsmischungen ausstoßen, wo ein einziges Gesicht in der Lage ist, sämtliche Entwicklungsstadien eines Pickels auch in mehrfacher Ausführung zu präsentieren, wo Mädchen manchmal sehr überraschend menstruieren und dabei noch viel zu unsicher sind, welches “Hygieneprodukt” denn nun am besten und wie gehandhabt werden sollte. Wo sowohl Wachstumsschübe als auch hormonelles Kopfchaos aus einst wendigen Kindern Koordinationsmonster machen, die sich so geschmeidig bewegen wie die Helden einer Zombieapokalypse….. und ich meine nicht die letzten fünf überlebenden Menschen, die sich bewaffnet durchs Dickicht schlagen.

Super Voraussetzungen, um bei Jugendlichen das Pflänzchen der Tanzfreude auf fruchtbaren Boden zu setzen. Es ist eine Steinwüste.

In einem Alter, wo die meisten Menschen vielleicht nicht gerade vor Selbstbewusstsein strotzen, sitzen also gut vierzig Mädchen und höchstens fünfundzwanzig Jungs auf Schützenhallenstühlen um ene Tanzfläche herum. Angstschweißgeruch erfüllt den Raum, und der fröhliche Tanzlehrer sagt: “So, nun bitte ich die Herren, eine Dame zum Tanz aufzufordern.” Sadist! …….  Aufgeregtes Stühlerücken, leicht verschämte Blicke, bloß nicht zu erwartungsfroh jemanden anschauen, weil sich diese Person eventuell in deine Richtung bewegt, denn beim  Näherkommen zeigt sich, dass nicht du gemeint warst, sondern deine Sitznachbarin. Der einzige schwache Trost ist, dass man nicht die einzige graue Maus war, die keinen Tanzpartner abbekommen hat.

Und so sitzt man mit fünfzehn weiteren Mädchen auf unbequemen Schützenhallenstühlen und schaut zu, wie auf der Tanzfläche Marsch getanzt wird. Gut, immerhin passt der Tanz zur Umgebung.
“So, und weil diese übriggebliebenen Geschöpfe auf den Stühlen ja auch ihre Kursgebühr gelatzt haben, muss ich die Herren nun bitten, in den sauren Apfel zu beißen und eines der Kategorie-D-bis-Z-Mädchen aufzufordern.” Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das der genaue Wortlaut war, aber für ein pickliges Teeniemädchen klangen sie exakt genau so.
Übrigens war die Aufforderung “Damenwahl!” auch nicht die schönere Alternative.

Es ist ja nicht so, dass wir nichts gelernt hätten in diesem Tanzkurs.

Nach Marsch kamen Discofox, langsamer Walzer, Wiener Walzer, Cha Cha Cha, Rumba, Tango und, ganz wichtig! Der Partytanz UND die Polonaise. Alles wichtig zu können auf Sauerländer Schützenhallentanzflächen. Rumba,…. Tango…. wird ja quasi ständig auf jedem Fest getanzt.
Schritt- Schritt-Wiegeschritt-rück-seit-ran. Das schematische Ablaufen der Tanzschritte hat erwiesenermaßen sehr erfolgreich die Entwicklung von “Tanzspaß” nachhaltig verhindert.
Es gibt aber auch positives zu berichten: Schön finde ich rückblickend, dass man zu meiner Zeit Discofox nicht zu irgendeinem Deutschpopschlager tanzen musste. Stattdessen hatten wir “Joyride” und “I promised myself”. Wenn man berücksichtigt, dass Musik ja direkt das Emotionszentrum anspricht, bin ich trotzdem froh, dass beide Titel extrem selten mal im Radio kommen.

Das Highlight der Würdelosigkeit war der Abschlussball.

“Ihr habt keinen Tanzpartner abbekommen? Wir haben da noch ein paar Typen an der Hand, die uns noch was schulden. Die machen dann mit euch den Abschlussball. Ihr müsstet aber trotzdem ein Einstecktuch für sie kaufen. Und euren Blumenstrauß besorgt ihr euch einfach selber.” Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das der genaue Wortlaut war, aber für ein pickliges Teeniemädchen klangen sie exakt genau so.

Heute läuft so ein Tanzkurs zum Glück anders ab, habe ich mir sagen lassen. Das ist schön! Wenn sie jetzt bloß noch auf die elenden Discofoxschlager verzichten könnten…